Die Leitenden Ärzte der Klinik Zugersee im Gespräch Psychiatrie neu gedacht Die Klinik Zugersee vereint unter einem Dach Spezialisierte Therapien, Akut- und Allgemeinpsychiatrie sowie Gerontopsychiatrie. Drei Leitende Ärzte berichten, wie sie mit innovativen Ansätzen und enger Zusammenarbeit moderne, patientenzentrierte Versorgung gestalten.
Dr. Marta Makowiecka, Behandlungszentrum für Spezialisierte Therapien (BZS) «Wir verbinden klassische Therapien mit digitalen Tools.»
Marta, seit Februar 2025 leitest du das BZS, zuvor warst du Oberärztin. Was hat sich für dich verändert? Als Oberärztin lag mein Fokus auf der direkten Patientenversorgung. Jetzt entwickle ich eine Gesamtstrategie, die Therapieangebote besser vernetzt und konsequent am individuellen Bedarf ausrichtet – so entstehen nahtlose Behandlungspfade statt fragmentierter Abläufe.Was heisst das konkret? Wir verbinden z. B. klassische Therapien mit digitalen Tools. Auf der Depressionsstation testen wir eine digitale Anwendung, mit der Patientinnen und Patienten ihre Fortschritte dokumentieren und zwischen den Sitzungen zusätzliche Unterstützung erhalten. Auch die Nachsorge organisieren wir gezielter, etwa mit ambulanter Spitexbetreuung.Welche weiteren innovativen Therapieansätze setzt du aktuell ein – und was macht sie besonders wirkungsvoll? Wir kombinieren bewährte Methoden synergetisch – etwa die Kognitive Verhaltenstherapie mit der Schematherapie, um tiefsitzende Denkmuster zu lösen. Ergänzt wird das durch Achtsamkeitstraining zur Emotionsregulation und Motivational Interviewing, um Veränderungsblockaden zu überwinden. Statt Einzelbausteine bieten wir massgeschneiderte Behandlungspakete, die wissenschaftlich fundiert sind – aber immer Raum für individuelle Bedürfnisse lassen. So entsteht Therapie, die nicht nur Symptome lindert, sondern Resilienz aufbaut.
Benjamin Bayerlein, Behandlungszentrum für Allgemein- und Akutpsychiatrie (BZA) «Akutbehandlung darf nicht an der Kliniktür enden.»
Benjamin, du bist frisch vom sozialpsychiatrischen Ambulatorium in Dielsdorf zur Klinik Zugersee gewechselt. Was bringst du mit? In Dielsdorf lag der Fokus darauf, Menschen auch in Krisenzeiten im Alltag zu stabilisieren – etwa durch Mithilfe bei der Organisation einer geeigneten Wohnlösung oder niederschwellige Betreuung. Diesen Ansatz möchte ich in die Klinik Zugersee einbringen: Akutpsychiatrie darf nicht an der Kliniktür enden. Entscheidend ist, dass wir Patientinnen und Patienten auch beim Schritt zurück ins soziale Umfeld begleiten.Wie möchtest du dieses Konzept konkret umsetzen? Bereits während des stationären Aufenthalts binden wir Sozialdienste, Angehörige oder Wohnheime ein – nicht erst bei der Entlassung. So stellen wir sicher, dass unsere Patientinnen und Patienten nach dem Klinikaufenthalt kontinuierlich unterstützt werden.Das braucht interdisziplinäre Zusammenarbeit – auch klinikintern. Wie gelingt das? Indem man Hierarchien abbaut und Probleme auch informell löst – beim Kaffee, im Flur, beim Mittagessen. Die familiäre, offene Kultur der Klinik Zugersee schafft Vertrauen. Das ist die Basis, um Konflikte direkt anzusprechen. Ein schwieriges Thema: Zwangsmassnahmen. Auf der Akutstation sind sie manchmal unvermeidbar, oder? Ja, aber sie sollen die Ausnahme bleiben. Akutbehandlung ist für mich nicht «Krisenlöschung», sondern Startpunkt für längerfristige Stabilität. Wir trainieren Deeskalation, setzen auf 1:1-Betreuung, Frühintervention durch Angehörige und verankern die Nachsorge schon beim Aufnahmegespräch. Unser Sozialdienst ist von Tag eins dabei. Beispiel: Ein Patient mit chronischer Schizophrenie und Obdachlosigkeit profitierte nicht nur von Medikation, sondern von einer Wohnlösung. Psychiatrie darf kein Paralleluniversum sein – wir müssen Brücken bauen.
Dr. med. univ. Andreas Hüll, Behandlungszentrum für Gerontopsychiatrie (BZG)«Demenz bedeutet nicht das Ende der Persönlichkeit.»
Andreas, die Gerontopsychiatrie befindet sich im Wandel: Was sind aktuell die grössten Herausforderungen? Wir sehen eine zunehmende Zahl an Menschen, die an einer Demenz erkrankt sind. Dadurch nehmen auch die Fragestellungen im ambulanten und häuslichen Bereich zu. Damit Betroffene möglichst lange in ihrer vertrauten Umgebung leben können, braucht es eine intensive Betreuung, etwa durch speziell geschulte Fachärztinnen und -ärzte, Pflegefachpersonen oder Besuchsdienste. Den Ausbau der fachlichen Expertise sehen wir als Herausforderung – und zugleich als Voraussetzung, um gute Arbeit leisten zu können. Wie haben sich die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten in den letzten zehn Jahren verändert? Betroffene und Angehörige sind heute deutlich besser über das Angebot und die Möglichkeiten der Betreuung informiert. Sie erkundigen sich aktiver über rechtliche Möglichkeiten wie z. B. Vorsorgeaufträge und Patientenverfügungen. Ambulante Dienste wie Amnesia Zug, SRK oder Pro Senectute werden vermehrt nachgefragt. Viele wünschen sich, länger und selbstbestimmt zu Hause zu leben und sich aktiv an der Betreuung zu beteiligen.Wo liegen in der Praxis die grössten Hürden? Platzierungen in externe Institutionen gestalten sich oft schwierig und herausfordernd. Umso wichtiger ist es, mit unseren Netzwerkpartnern gut zusammenzuarbeiten und sie auch zu schulen und zu begleiten. Manchmal hat man das Gefühl, dass es noch mehr ambulante Betreuungsplätze wie Tagesbetreuungen oder Wohnheimplätze bräuchte.Du bist seit 16 Jahren in der Klinik Zugersee. Was hat dich persönlich am meisten geprägt? Am meisten freut mich, dass der familiäre und freundschaftliche Charakter erhalten geblieben ist. Trotz vieler Änderungen und Erneuerungen steht die Arbeit am Patienten im Mittelpunkt. Unsere Arbeit ist geprägt von gegenseitigem Respekt und Professionalität. Auch dass der Humor nicht zu kurz kommt, ist mir wichtig – denn dieser hilft oft in schwierigen Situationen.Danke für das interessante Gespräch!